Klimaschutz: Wir sind bereit
Die Zunahme an Extremwetter, zutiefst besorgniserregende Vorhersagen der Klimawissenschaft über die Folgen bei Überschreiten der Kipppunkte, faktenfreie Verunsicherung, gezielter Populismus und die Aufheizung des gesellschaftlichen Klimas zeigen: Wir stehen an einem Scheideweg. Verstoßen wir weiter gegen die planetaren Grenzen, nützen wir weiter fossile Energien, versuchen wir weiter, Sachauseinandersetzungen mit Populismus und Ablenkung zu lösen? Oder stellen wir die Wahrheit von Problemursachen, die Umsetzung von Lösungen in das Zentrum unserer Auseinandersetzung? Die Ereignisse der letzten Wochen zeigen: Die gesellschaftspolitische Diskussion geht in eine völlig falsche Richtung, auch politische Verantwortungsträger_innen befeuern eher Emotionen, statt die Sachauseinandersetzung zu schützen. Hier rufen wir als kirchlich-katholische Institutionen, Verbände und Führungskräfte laut und vernehmlich “Stopp”.
Statt die Verunsicherung um sich greifen zu lassen, möchten wir alle Entscheidungsträger_innen bestärken und sagen klar und deutlich:
Wir sind bereit, Klimaschutz konkret umzusetzen, die notwendigen Veränderungen anzugehen und gemeinsam an einem Strang zu ziehen. An vielen Stellen haben wir bereits begonnen und konnten Treibhausgasemissionen bereits reduzieren.
Doch noch existieren zu viele hemmende Rahmenbedingungen und Unklarheiten, die einen effektiven Klimaschutz massiv ausbremsen. Hinzu kommt: Viele, die es wollen, haben keine finanziellen Mittel, um die notwendigen Sanierungsmaßnahmen aus eigener Kraft umzusetzen. Die Förderprogramme sind meist weder passend noch auskömmlich finanziert, noch erfolgen Bewilligungsbescheide in der gebotenen Schnelle. Wir brauchen verlässliche Rahmenbedingungen und langfristige Zeitpläne, wie der Weg zur Klimaneutralität gesetzlich vorgegeben wird. Daher fordern wir, endlich die Klimaschutzbremsen zu lockern und uns auf dem Weg zur Klimaneutralität zu unterstützen.
Eine Politik, die unvermindert handelt, als ob die Klimakatastrophe nicht längst begonnen hätte und nicht schon jetzt jährlich Tausende an Toten durch Hitze, Dürren oder Überschwemmungen sowie volkswirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe erzeugt, suggeriert der Bevölkerung, die Lage sei keinesfalls so ernst, wie die Wissenschaft anmahnt. Sie schmälert die vorhandene Veränderungsbereitschaft, sie verhindert Planungssicherheit und sie fördert Populismus, Angst, Hass und Aggression.
Deshalb appellieren wir an die Bundes- und Länderregierungen und die sie tragenden Parteien, auch und gerade in jenen Bundesländern, in denen dieses Jahr Wahlen stattfinden:
- Sorgen Sie dafür, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Klimakatastrophe im Zentrum der Debatte stehen. Wir schaffen es nicht mehr, die 1,5-Grad Grenze einzuhalten. Lassen Sie uns umso entschiedener um jedes Zehntel Grad an Begrenzung kämpfen.
- Unterstützen Sie massiv die zeitnahe Einführung einer verbindlichen Energieeffizienz- und Wärmewende. Sorgen Sie dafür, dass die vorliegenden Gesetzesinitiativen unverzüglich umgesetzt werden.
- Der Gebäudebestand muss deutlich zügiger saniert werden, auskömmliche Förderprogramme für Wohn- und Nicht-Wohngebäude sind unabdingbar. Im Gegenzug sind verbindliche, planbare Fristen erforderlich.
- Intensivieren Sie die Mobilitätswende. Ein Tempolimit ist billig, sofort einführbar, erzeugt eine wichtige Signalwirkung und ist von einer breiten Mehrheit in der Bevölkerung gedeckt. Lenken Sie Subventionen in den Schienen-, Fuß- und Radverkehr, statt weiterhin Autos und Straßen zu fördern.
- Beschleunigen Sie die Agrar- und Ernährungswende. Beginnen Sie bspw. mit einer Gesetzgebung gegen Lebensmittelverschwendung, wie sie in Frankreich oder Italien schon existiert und sorgen Sie dafür, dass die aktuelle Praxis der Subventionierung eine klimagerechte Landbewirtschaftung und biologische Vielfalt fördert.
- Die Transformation zur Klimaneutralität muss ebenso soziale Gerechtigkeit befördern.
Wir, die Unterzeichnenden, sind bereit, die Wende zur Klimaneutralität zu vollziehen und zum schnellst möglichen Zeitpunkt frei von fossilen Energieträgern zu werden. Daran arbeiten wir bereits intensiv. Um dies effektiv umsetzen zu können, brauchen wir verlässliche finanzielle und rechtliche Rahmenbedingungen. Und wir wissen: Auch in der Wirtschaft wartet man auf diese Klarheit und Planungssicherheit. Wir haben keine Zeit mehr für destruktive Rückzugsgefechte, die lediglich das fossile Zeitalter verlängern.
Wir sagen dies auch als Mitglieder einer weltumfassenden Gemeinschaft: Unsere Mitbrüder und Mitschwestern im Globalen Süden erinnern uns an unsere Verantwortung, denn wir übernutzen und verschmutzen natürliche Ressourcen seit Beginn der Industrialisierung, deshalb ist es unsere Verantwortung, die sozial-ökologische Transformation in die Wege zu leiten. Deutschland ist die weltweit viertgrößte Wirtschaftsmacht. Wir haben die Technik, die Ideen und das Geld. Was Deutschland macht, wird auch die EU prägen, und wenn der weltgrößte Binnenmarkt die Transformation angeht, werden andere folgen.
Mit Ihrem Amtseid haben Sie geschworen, den Nutzen des Volkes zu mehren und Schaden von ihm abzuwenden. Handeln Sie bitte entsprechend.
Die Autoren © inhaltlich verantwortlich: P. Dr. Jörg Alt SJ (Ukamazentrum der Jesuiten für die sozial-ökologische Transformation, Nürnberg), Astrid Schaffert (Referentin soziale Klimapolitik/Leiterin AG Klimaschutz, Deutscher Caritasverband, Freiburg), Dr. Christian Weingarten (Umweltbeauftragter des Erzbistums Köln)
- Womit sollten Menschen im Klima- und Umweltschutz beginnen? - 19. Oktober 2024
- Woran erkennt man Klimaleugner? - 18. Oktober 2024
- Woran erkennt man Fake-News? - 18. Oktober 2024