Deutschland wird von Amnesty International erstmals als Land gelistet, in dem das Recht auf Versammlungsfreiheit zunehmend eingeschränkt wird – durch Präventivhaft, Schmerzgriffe, repressive Gesetzgebung und Versammlungsverbote.
Paula Zimmermann, Expertin für Meinungs- und Versammlungsfreiheit bei Amnesty International in Deutschland, sagt:
"In Deutschland werden Proteste von staatlichen Behörden mitunter als Bedrohung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung wahrgenommen und deshalb eingeschränkt. Das bereitet uns große Sorge. Protest wird teils kriminalisiert und dämonisiert, statt ihn als Menschenrecht zu achten und als Kern einer lebendigen Zivilgesellschaft anzuerkennen. Wir appellieren an die Bundes- und Landesregierungen, die Versammlungsfreiheit in Deutschland umfassend zu schützen."
Präventivhaft und Versammlungsverbote
In Deutschland sind zurzeit vor allem Klimaaktivistinnen zunehmenden Repressionen ausgesetzt. So hat die bayerische Polizei seit Oktober 2022 Dutzende Aktivistinnen für bis zu 30 Tage in Präventivhaft genommen – zuletzt im Zusammenhang mit der IAA.
Zimmermann sagt:
"Obwohl die Präventivhaft ursprünglich zur Verhinderung schwerer Gewaltdelikte gedacht war, wurde sie in den vergangenen Jahren vor allem zu Abschreckungszwecken gegen Klimaaktivist*innen eingesetzt. Dies umgeht das Recht auf ein faires Verfahren und stellt eine Menschenrechtsverletzung dar."
Einige Städte in Deutschland haben zuletzt versucht, durch präventive Versammlungsverbote Klimaprotest zu unterbinden. Auch wurden in Berlin alle Demonstrationen rund um den Nakba-Gedenktag im Mai 2023 (wie auch schon 2022) untersagt. Diese Versammlungsverbote werden von Amnesty International auch aufgrund ihrer Pauschalität als unverhältnismäßig einstuft.
Exzessive Gewaltanwendung
In den vergangenen Jahren wurden mehrere Fälle von übermäßiger Polizeigewalt bei Versammlungen gemeldet. So werden beispielsweise sogenannte Schmerzgriffe eingesetzt, um Proteste aufzulösen, insbesondere Straßenblockaden von Klimaaktivist*innen.
Zimmermann sagt:
"Schmerzgriffe verstoßen häufig gegen die Verhältnismäßigkeit, vor allem, wenn sie gegen friedlich Protestierende eingesetzt werden, die ohne Weiteres weggetragen werden könnten, um den Protest aufzulösen. In einigen Fällen können diese Techniken sogar eine erniedrigende oder unmenschliche Behandlung darstellen und damit gegen das Folterverbot verstoßen."
Im Januar 2023 wurden bei der Räumung eines Camps von Klimaaktivistinnen in Lützerath Berichte über Polizeigewalt und Einschränkungen der Meinungs-, Versammlungs- und Presserechte bekannt. Ein weiteres Problem ist das polizeiliche Einkesseln von Versammlungsteilnehmerinnen – beispielsweise in Leipzig im Juni 2023, wo rund 1000 Menschen, darunter auch Minderjährige, etwa elf Stunden lang ohne ausreichenden Zugang zu Nahrungsmitteln, medizinischer Versorgung und sanitären Einrichtungen von der Polizei festgesetzt wurden.
Autor © Amnesty International Deutschland e. V.
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